Zunächst zur Klärung: Fuchsianer sind keine Rothäute, also keine Indianer. Fuchsianer sind auch keine Grünröcke die auf eine bestimmte Wildart Jagd machen. Fuchsianer sind leidenschaftliche Fuchsienfreunde mit einem Schuß Sammlerwut, die sich in der Deutschen Dahlien-, Fuchsien- und Gladiolen-Gesellschaft verbunden fühlen.
Wie entsteht ein Fuchsianer? In der Regel ist eine eher beschauliche Tätigkeit der Anfang. Später entwickelt sich ein Hang zur Spezialität. Wenn die Wahl dann zufällig auf die Fuchsia fällt und nach einiger Zeit noch etwas Sammlerleidenschaft dazu kommt, dann entsteht sehr leicht ein Fuchsianer. Durch Vererbung oder, was wesentlich häufiger ist, durch Ansteckung durch Viren (Fuchsia totalis beklopptitus). Kinder und junge Menschen werden etwas seltener angesteckt. Aber im reiferen Alter kommt die Krankheit öfter vor. Dabei sind besonders die jungen Alten anfällig gegen den Virus. Fuchsianer von Geburt, die gibt es mit Sicherheit nicht, alle müssen klein anfangen.
Wie erkennt man Fuchsianer? Lange habe ich darüber nachgedacht und keine zufriedenstellende Antwort darauf gefunden. Tatsache aber ist, wenn in einem Park, auf einer Blumenschau oder sonstwo ein paar Fuchsien blühen, dauert es nicht lange, und das Gespräch dreht sich um Fuchsien. Wildfremde Menschen werden dann mit den Worten eingeladen: „Ich gebe Ihnen meine Anschrift, wenn Sie Lust haben können Sie sich gerne meine Fuchsiensammlung einmal ansehen."
Der Fuchsianer ist in seinem Reich der „King", aber mit einer unwahrscheinlichen gastfreundschaft ist er immer bereit, andere in die Geheimnisse der Fuchsienkultur einzuführen. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz: Kein Fuchsienneuling darf eine Fuchsiensammlung verlassen, ohne in jeder Hand eine Pflanze zu haben.
Wenn man genau beobachtet, kann man die scheinbare Großzügigkeit ergründen. Drücke deinem Besucher in beide Hände eine Pflanze, er kann dann deine geliebten Fuchsien nicht anfassen und dir nichts aus Versehen abbrechen. Zum zweiten werden dadurch die Fuchsien weiter verbreitet, und man wird von der Freigiebigkeit erzählen. Als Letztes bekommt der Besucher dabei oft das Fuchsienfieber.
Die Fuchsianer sind, wie bereits gesagt, nicht nur einfache Fuchsienliebhaber, sondern auch eifrige Sammler. Kein Weg ist ihnen zu weit, keine Pflanze zu teuer. Wer eine Neuzüchtung erspäht, wird alles daran setzen, zumindest eine Jungpflanze davon zu bekommen. Wenn dann die Neuerwerbung voll erblüht und von Freunden und Nachbarn bewundert ist, sucht der Fuchsianer einen günstigen Platz für die Pflanze. Diese Prozedur wiederholt sich mehrmals im Jahr und so entstehen beachtliche Fuchsienansammlungen, die oft eine Nummer zu groß geraten. Aus dem normalen Zeitgenossen wird ein Fuchsiennarr, die Sammelwut wird zur unstillbaren Leidenschaft.
Wo zwei oder drei dieser Fuchsianer zusammentreffen, da geht es zu wie bei der Haushaltsdebatte im Bundestag.
„Das darf doch nicht wahr sein! Mit Blaukorn versalzen Sie sich doch Ihre Erde - Ich
nehme genau 7,25 Gramm Vogeldünger mit 9 Gramm Kalk, wegen des PH-Wertes."
„Wie bitte? Wer wird eine 'White King' in die Sonne setzen? Das ist doch Schwachsinn!
Daraus wird eine mickerige rosa 'Etwas' - Triphylla, da bin ich einverstanden, die muß an
einen sonnigen Platz! Im vergangenen Jahr habe ich..."
Hier blendet man sich als nicht Betroffener besser aus. Eine Diskussion unter Fuchsianer
kann unter Umständen sehr lange dauern, und dann bleiben doch noch einige Fragen unbeantwortet.
Bis zum Herbst kann man mit den Fuchsienliebhabern noch einigermaßen wie mit normalen Menschen umgehen. Wenn aber der erste Frost gemeldet wird, wird es schlimm. Irgendwie hatten ja alle Pflanzen im Sommer einen Platz im Garten gefunden. Mit Beginn der kalten Jahreszeit beginnt für den Fuchsianer der Kampf ums Überleben. Er wird zum Hausbesetzer! Keller, Speicher und die Garage sind bald mit Fuchsien besetzt. Langsam dringt er ins Treppenhaus vor, die Treppe war eh zu breit. Vor dem Wohnzimmer entscheidet sich der Kampf. „Rein oder nicht rein" das ist auch hier die Frage. Bald tritt der Fuchsianer den Rückzug an, um den Rest der Pflanzen irgendwo im Haus abzustellen.
Warum entwickeln einige Leute solche Leidenschaft? Die Frage wird wohl ungeklärt bleiben. Eines ist jedoch sicher: auch andere Pflanzenfreunde, die Rosarianer, die Georgianer, Kaktusfreunde, die Phloxisten, Orchideenzüchter und Chrysanthemanen, alle entwickeln
eine unwahrscheinlich friedliche Energie bei ihrem Hobby, die ihnen Freude und Entspannung bringt.
Ich hoffe, daß sie mir recht geben, die Fuchsianer sind schon etwas eigenartige Menschen.
Wenn man sie kennt, dann kann man Freunde werden.
Quelle: H. Maurer, Jahrbuch 1997 der DDFGG, Rinteln 1997, S. 243 f.
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