"Wer sich mit Pflanzen intensiv beschäftigt, wird von der Vermehrung immer ganz besonders fasziniert sein. Zu beobachten wie aus einem Samenkorn eine große kräftige Pflanze wird oder wie aus einem Steckling eine Pflanze entsteht, die der „Mutter" in allen Teilen völlig gleicht, ist interessant und aufregend. Es ist immer wieder ein „Erfolgserlebnis", wenn eine Vermehrung gelungen ist.
Die Vermehrung der Fuchsien macht insofern besondere Freude, weil sie einfach und problemlos ist und fast immer gelingt. Die Technik sollte man jedoch beherrschen. Es gibt 3 Arten, Fuchsien zu vermehren:
1. aus Samen (generative Vermehrung),
2. aus Stecklingen (vegetative Vermehrung),
3. durch Absenker und Teilung.
Samen
Die Samenbeeren (s. Seite 96), die bei den meisten Fuchsienarten und Sorten in großer Zahl gebildet werden, sind je nach Art und Sorte grün, rötlich oder fast schwarz, klein und rund oder schmal und länglich; bis zu dicken, fast pflaumengroßen Gebilden ist alles vertreten. Wenn die Beeren an der Pflanze völlig ausgereift, d. h. saftig, weich und geschwollen sind, werden sie geerntet und vorsichtig mit einer Rasierklinge der Länge nach geöffnet. Die feinen Samenkörner werden einzeln mit einem spitzen Hölzchen (Zahnstocher) herausgelöst und auf saugfähigem Papier getrocknet. Manche Züchter zerdrücken die Beeren einfach mit
einer Gabel und spülen die Samen mit Wasser aus. So läßt sich gleich erkennen, welche Samen keimfähig sind. Diese sinken unter, die tauben schwimmen auf der Wasseroberfläche.
Da die Samen ihre Keimfähigkeit schnell verlieren, führt eine sofortige Aussaat mit größter Wahrscheinlichkeit zum Erfolg. Die Saatschale muß peinlich sauber gewaschen sein. Es wird ein Aussaatsubstrat aus
1 Teil gesiebter Erde,
1 Teil Torf oder gedämpftem Kompost,
1 Teil Vermiculite oder Hygro-Perlite,
1 Teil scharfem Sand
hergestellt, eventuell ein Teelöffel Orthocid zugegeben und alles gut vermischt. Die Saatschale wird damit etwa bis zur halben Höhe gefüllt und die Oberfläche des Substrats geebnet. Damit sich das lockere Substrat nicht verfestigt, läßt man es sich von unten mit Wasser vollsaugen. Die Samen werden jetzt einzeln im Abstand von 3 cm aufgelegt, mittels Sieb hauchdünn (Samenkornstärke) mit Erde überdeckt und in einen Plastikbeutel gesteckt. Da Fuchsien Dunkelkeimer sind, dient ein Stück Packpapier zum Abdecken. Bei 12 bis 16 °C werden die ersten grünen Spitzen nach 3 bis 4 Wochen erscheinen. Bis zu diesem Zeitpunkt reicht die Feuchtigkeit im geschlossenen Beutel meistens aus.
Wenn alle Samen gekeimt sind, wird vorsichtig gelüftet; erst für eine halbe Stunde, dann von Tag zu Tag länger, um die Umhüllung schließlich ganz zu entfernen, wenn die jungen Keimlinge sich an die trockene Außenluft gewöhnt haben.
Fuchsiensamen sind als „launisch" bekannt. Die ersten Keimlinge haben schon mehrere Blätter entwickelt, wenn die letzten Samen erst zu Keimen beginnen. In diesem Fall sind alle Sämlinge, die zwei Blattpaare entwickelt haben, vorsichtig einzeln herauszunehmen und in kleine Töpfchen zu pikieren. Dann steckt man die Schale wieder in den Beutel und die Weiterentwicklung der restlichen Keimlinge bleibt abzuwarten.
Junge Sämlinge sind empfindlich und anfällig für Pilzerkrankungen. Besonders Botrytis, aber auch Bodenpilze bringen Gefahr. Sicherheitshalber sollten sie von Zeit zu Zeit mit einem Fungizid besprüht werden z. B. mit Euparen (0,2 %). Sofern man mit Besonderen, wertvollen Samen aus einer bestimmten Züchtung oder Kreuzung arbeitet, ist auf ganz besondere Sorgfalt zu achten und die Saatschale und das Substrat zu sterilisieren. Die folgende Methode hat sich gut bewährt:
In Haushaltwarengeschäften werden flache, rechteckige Pastetenformen aus Aluminiumfolie gekauft. In den Boden werden mit einer geschlossenen Schere etliche Abzugslöcher gebohrt. Dann wird das vorher beschriebene Substrat bis zur halben Höhe eingefüllt und die Schale im Backofen bei 200 bis 225 °C zwei Stunden erhitzt. Wenn man die so sterilisierten Schalen zum Vollsaugen auch noch in kochendes Wasser stellt, sollten wirklich alle Schadpilze abgetötet sein. Nach dem Abkühlen wird gesät wie vorher beschrieben. Natürlich muß zum Übersieben der Samen auch sterilisierte Erde genommen werden und der PVC-Beutel sollte ebenfalls neu und steril sein. Ein bißchen Mühe macht das ganze zwar, doch hat man jetzt die Gewißheit, den Sämlingen den bestmöglichen Start gegeben zu haben. Alle Pflanzen, die aus Samen stammen, werden dann wie Stecklingspflanzen weiterbehandelt und entwickeln sich bei guter Pflege so schnell, daß sie im nächsten Sommer blühen werden."
Quelle: Fuchsien, Gerda Manthey, 2. erw. Auflage, Stuttgart: Ulmer 1987, S.49f
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